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  • Einfluss von Plattentektonik auf die Radarinterferometrie

    Posted by Benjamin Haske on 29. September 2022 at 09:03

    Vor allem bei mehrjährigen Beobachtungsreihen von Bodenbewegungen müsste die Plattentektonik einen erheblichen Einfluss auf die Auswertung haben, es werden ja Relativgeschwindigkeiten von mehreren Zentimetern im Jahr erreicht. Im Vortrag wurde dieser Faktor leider nur kurz angerissen, für den Bodenbewegungsdienst werden die Daten entsprechend korrigiert.

    Können Sie eventuell kurz ausführen, wie sehr sich das Ganze tatsächlich auf die Auswertung verschiedener Verfahren (PSI, SBAS) auswirken kann und wie eine entsprechende Korrektur aussieht? In der Literatur konnte ich dazu erstaunlich wenig finden.

    Michael Eineder replied 1 year, 10 months ago 3 Members · 6 Replies
  • 6 Replies
  • Michael Eineder

    Member
    29. September 2022 at 09:56

    … eine sehr gute Frage! Wenn sich eine Platte z.B. großflächig horizontal von West nach Ost
    bewegt, so erzeugt das im Interferogramm wegen des unterschiedlichen
    Einfallswinkels innerhalb einer Szene (ein paar Grad Variation) eine
    unterschiedliche Projektion in Messrichtung (Range) und damit eine
    scheinbare Kippung über Range. Dieser Einfluss der Plattentektonik wird meist ignoriert bzw. zusammen mit anderen unbekannten Effekten wie Bahnmessfehler und atmospärischen Fehlern durch Kontrollpunkte oder “Flachmachen” “ausgeglichen”. Dabei wird allerdings Information zerstört. Da man aber die Plattentektonik zumindest großer Platten gut kennt, kann man diesen Effekt vorhersagen und von der Phase subtrahieren. Nur so erhält man Interferogramme, die auch über größere Entfernungen genau messen. So kann man kleinräumigere unbekannte Faults genauer isolieren.. Nun sind aber die Plattengrenzen weltweit wild verteilt und die Geschwindigkeitsparameter (Verschiebung, Rotation, Hebung, Kippung) der Platten komplex. ,Daher ist die o.g. Korrektur in keiner mir bekannten Software enthalten.

  • Benjamin Haske

    Member
    29. September 2022 at 10:53

    Danke für die ausführliche Antwort!

  • Frederik Pütz

    Member
    29. September 2022 at 10:57

    Sehr geehrter Herr Eineder,

    angegliedert an die ob angeführte Frage würde mich auch interessieren, wie stark der Einfluss der Erdgezeiten auf erzeugte differentielle Interferogramme ist? Handelt es sich dabei um einen deutlich messbaren Effekt und existiert dazu ein Standardverfahren, um den interferometrischen Phasenbeitrag der Erdgezeiten aus differentiellen Interferogrammen herauszurechnen? Bzw. kennen Sie irgendeine Software, mit der man das durchühren könnte?

    Viele Grüße,

    Frederik Pütz

  • Michael Eineder

    Member
    29. September 2022 at 11:18

    Hallo Herr Pütz, der Einfluss der Ergezeiten ist in der Interferometrie sehr klein, da man ja räumlich-zeitliche Doppeldifferenzen bildet und Erdgezeiten sich horizontal nur sehr langsam ändern. Je größer die Szene wird, desto größer wird allerdings der Einfluss. WIr am DLR korrigieren das vorsichtshalber; Standardsoftware macht das m.W. nicht.

    Kürzlich wurde allerdings der Einfluss des Ocean-Loadings auf Land gezegt, der kann in seltenen Fällen durchaus eine Rolle spielen:

    https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1029/2020GL088184

    Am DLR entwickelten wir für ESA das ETAD-Produkt, das viele Korrektureffekte (Erdgezeiten, Atmosphäre, Ionosphäre, Systemfehler etc) für S1 enthält. In Zukunft vielleicht auch Ocean Loading. Für InSAR ist ETAD allerdings noch in einem experimentellen Status.
    Viele Grüße vom SAR Coordination Workshop in Frascati!

    • Frederik Pütz

      Member
      29. September 2022 at 12:23

      Hallo Herr Eineder,

      vielen Dank für die Antwort und die spannenden Einblicke in die Entwicklung von ETAD am DLR. Wenn ETAD den experimentellen Status zu einem späteren Zeitpunkt überschreiten sollte, besteht denn dann die Aussicht darauf künftig (beispielsweise über SNAP, SARscape oder eine Schnittstelle) zugreifen zu können, um differenzielle Interferogramme entsprechend korrigieren (bzw. verfeinern) zu können? Für großskalige hochgenaue geodätische Vermessungen wäre soetwas sicherlich von Interesse.

      Viele Grüße aus Bonn von Geobasis.NRW

      Frederik Pütz

      • Michael Eineder

        Member
        29. September 2022 at 12:30

        Ja, ESA hat das ETAD bereits im Probebetrieb für interessierte Nutzer.

        https://sentinels.copernicus.eu/web/sentinel/missions/sentinel-1/data-products/etad-dataset

        Das Produkt ist allerdings zunächst zur hochgenauen Bildkorrektur (Größenordnung cm) gedacht. Für Interferometrie (Größenordnung mm), insbesondere in den Bergen, sind einige Verfeinerungen erforderlich, die derzeit untersucht werden. Eine Einbindung in SNAP etc. sollte langfristig kommen. Bisher gibt es immerhin eine von ESA bereitgestellte Python-Library.

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